Sport nach Lehrplan?




Das wichtigste und natürlich in aller Munde geführte Argument für Sportunterricht an Schulen ist: Sport baut Spannungen und Aggressionen ab.
Zudem wird von den Befürwortern das sicher richtige Argument angeführt, Sport müsse dem wissenschaftlich nachweislichen Bewegungsmangel (WIAD-Studie) heutiger Kinder und Jugendlicher entgegenwirken und somit einen Beitrag zur allgemeinen Gesundheit der Bevölkerung beitragen.
Auch der pädagogische Anspruch, Sportunterricht solle zur ganzheitlichen Bildung und Erziehung junger Menschen beitragen, ist an sich ein hehrer, doch sah die Wirklichkeit lange etwas anders aus.
Bereits die alten Griechen erkannten den Nutzen von Leibesübungen für die Entfaltung der Persönlichkeit, doch schon hier tut sich die ideologische Verbrämung staatlich angeordneter Körpererziehung auf, wie das Extrembeispiel der Spartaner erschreckend zeigt.


"Turnvater" Jahn
In Deutschland wurden Anfang des 19. Jahrhundert die Philanthropen ("Menschenfreunde") um Johann Christoph Friedrich GutsMuths (1759-1839) und vor allem "Turnvater" Friedrich Ludwig Jahn (1778-1852) Wegbereiter für eine Bewegungserziehung an den Schulen. Leibesübungen sollten integraler Bestandteil einer vernunftgemäßen, ganzheitlichen Erziehung (Bildung, körperliche Vervollkommnung, Glück) dieser durch die Reformpädagogik beeinflussten Bewegung sein.
Etwas später veröffentlichte der Schweizer Adolf Spieß (1810-1852) "Die Lehre der Turnkunst" in 4 Bänden, 1847-1851 schrieb er ein "Turnbuch für die Schulen". Er sah Turnen als Erziehungsmittel zu Gehorsam und Disziplin und zur Bildung guter Untertanen wie auch zur körperlichen und militärischen Erziehung. Bezeichnenderweise erging 1842 in Preußen "allerhöchste Kabinettsordre", wonach der Turnunterricht, wie der Sportunterricht damals hieß, an allen öffentlichen Lehranstalten als notwendiger und unerlässlicher Bestandteil der männlichen Erziehung erteilt werden sollte.

Die Nationalsozialisten ...

... machten die schulische Leibeserziehung zum Bestandteil ihrer Ideologie:
"Volksgemeinschaft", "Wehrhaftigkeit", "Rassebewusstsein" und "Führertum" wurden von Hitler, Göbbels, Alfred Baeumler und anderen als schicksalsverordnete Notwendigkeiten für eine "gesunde" Körperlichkeit suggeriert. Umfassende Leibesertüchtigung und Kampfsport bei den Jungen sowie Gymnastik und Tanz bei den Mädchen dominierten den Unterricht.
Der Individualleib wurde zum "Politicum", war damit nicht mehr Privatangelegenheit und wurde als Teil des "völkischen Gesamtleibs" gesehen, womit die Leibeserziehung Sache des Staates wurde.

Sportunterricht heute

Ab den 1970er Jahren wurde in Deutschland der gesellschaftlichen Bezug des Schulsports in den Ansätzen der Lernzielorientierung und der Curriculumtheorie aufgegriffen. Der Begriff der "Leibeserziehung" wurde durch die Bezeichnung "Sportunterricht" ersetzt und es begann eine sinnvolle und bis heute andauernde Diskussion, welche Erfahrungen Kinder und Jugendliche im Sport und durch den Sport gewinnen sollen. Begriffe wie Handlungsfähigkeit, Körper- und Bewegungserfahrung, soziales Lernen werden zunehmend in der fachdidaktischen Diskussion und in den Lehrplänen in den Mittelpunkt gestellt.
Neben die traditionellen Sportarten treten weitere Bewegungsformen, Entspannungstechniken (z.B. Progressive Muskelentspannung) oder Funsportarten.
In dieser Diskussion sollte m.E. die Beschäftigung mit "weichen" Kampfsportarten wie "Budo" oder "Tai Chi" zum Aggressionsabbau, Gewaltprävention und Stärkung des Selbstbewusstseins eine wichtigere Rolle spielen (siehe auch Artikel Konflikte).

Das altbekannte "mens sana in corpore sano" wird von der modernen Medizin, der Altersforschung und den Neurowissenschaften auch wissenschaftlich belegt, so daß sich die Frage nach dem Sinn des Sportunterrichts gar nicht stellt.
Dessen Gegner führen oft ins Feld, sportlich schwächere Mitschüler könnten gehänselt und sozial ausgegrenzt werden. Das kann als Argument nicht isoliert stehen gelassen werden, da auch schwache Leistungen in anderen Fächern zu diesem Ergebnis führen können.
Deshalb ist es auch Aufgabe eines guten Sport-Coaches, Leistungsdefizite Einzelner zu relativieren, keinesfalls als persönliche Schwäche herauszustellen und Alle entsprechend ihres körperlichen Vermögens in das Gemeinschaftserleben Sport einzubeziehen und zu motivieren, auch außerhalb der Schule aktiv zu sein.
Werner Friebel/ div. Wiki-Auszüge
Artikel zur "Philosophie des Fussballs"


Die umfängliche Diskussion und aktuelle Entwicklungen zu diesem Thema findet Ihr hier:

Sport-Unterricht.net

Äußerst umfangreiche und dennoch sehr übersichtlich strukturierte Seite mit Informationen und Materialien für Schüler und Lehrer.
Mit animierten Bewegungsabläufen für (fast) alle Sportarten, Cartoons & Sprüchen, sportpädagogischen Diskussionsforen, einer Sport-Suchmaschine und natürlich ausführlicher Linkliste.

"mens sana in corpore sano"

Wie wichtig sportliche Aktivität mit einhergehender Dopaminausschüttung für geistiges Leistungsvermögen grad in der Schule ist, zeigen neue Untersuchungen von Professor Spitzer an der Uni Ulm

Sehr anschauliches Sport-Spiele-Material für Lehrer und Jugendgruppenleiter:

Budo-Spiele

Bewegung spielend lernen - das ist der Grundgedanke dieses Buches. Kleine Spiele schulen Körper, Bewegungsgefühl und Partnerverhalten und bereichern jedes Kampfsporttraining. Michael Korn, Bundesjugendreferent des Deutschen Ju-Jutsu-Verbandes, stellt hier pädagogische und biologische Grundlagen des Spieleinsatzes im Training ebenso vor wie den methodischen Aufbau und die praktische Durchführung verschiedener Spiele. In Wort und Bild werden, aufgegliedert nach Einsatzschwerpunkten, über 150 verschiedene Spiele ausführlich vorgestellt. Diese Buch vereint damit fundierten Leitfaden und umfangreiche, anschauliche Materialsammlung zu einem umfassenden Handbuch nicht nur für alle Kampfsporttrainer, sondern für alle, die mit Spiel- und Bewegungsformen arbeiten.
Pietsch Verlag, 192 Seiten, € 19,95


Bestellmöglichkeit hier