Bilingualer Unterricht
für Migrationskinder



"Bei Kindern, die zweispraching aufwachsen, verschaltet sich das Gehirn besser; Urteilsvermögen, Entscheidungsfähigleit und Kombinationsgabe werden gestärkt. Je früher die mehrsprachige Erziehung beginnt - am besten von Geburt an - desto nachhaltiger."

Aus der "Delta"-Diskussion, 3-SAT, 5.4.07

Die beste Deutschförderung ist also immer kombiniert mit einer koordinierten Weiterförderung der Erstsprache.
Dieser Prozess wird unterstützt durch eine wertschätzende Haltung gegenüber allen Sprachen sowie der Achtung der kulturellen und familiären Lebenssituation des Kindes. Und dies wiederum ist eine gute Grundlage für gelingende Integration.
     

Sprachförderung und Mehrsprachigkeit in der Vorschulpädagogik

Wir wissen heute viel über den kindlichen Zweitspracherwerb - durch wissenschaftliche Forschung ebenso wie durch die Praxis in Kindertageseinrichtungen und Schulen. So ist der kindliche Spracherwerb bis zum Kindergarteneintritt keineswegs abgeschlossen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass erst mit sechs bis sieben Jahren verlässliche Grundstrukturen und ein komplexes Sprachverständnis in einer Sprache erworben worden sind. Mit drei oder vier Jahren sind also sowohl die einsprachigen als auch die mehrsprachigen Kinder noch voll im Prozess des Spracherwerbs.
Kinder, die bisher zum Beispiel in der Familie bis zu ihrem dritten Lebensjahr nur türkisch gesprochen haben, benötigen deshalb auch weiterhin einen qualitativen und ausreichenden Gebrauch der türkischen Sprache, um diese weiter entwickeln zu können. Aufbauend auf einer derart gesicherten Sprachstruktur im Türkischen können die Kinder dann mit Deutsch als Zweitsprache einsetzen und diesen Bereich parallel entwickeln. Von Vorteil ist, wenn immer wieder Vergleiche zwischen beiden Sprachen möglich sind und wenn Brücken zwischen den unterschiedlichen Sprachstrukturen geschaffen werden.
Zweitsprachenkinder benötigen das Gerüst ihrer Erstsprache, um an ein Gerüst für die Zweitsprache andocken zu können. Wird ihnen das verwehrt, wird die Zweitsprache auf wackligen Füssen stehen. Grundsätzlich ist dabei eine gezielte Sprachförderung in der Zweitsprache erforderlich, und diese ist nicht allein durch Spiel- und Alltagskommunikation zu erreichen.
Es gilt, dass die Förderung umso erfolgreicher ist, wenn sie in allen Sprachen des Kindes erfolgt.
Nun werden zwar Kinder anderer Familiensprachen, die im Kindergarten nur noch Deutsch hören, in der Regel wohl dahin kommen, sich im Alltag sprachlich auf Deutsch zurecht zu finden; vielfach ergeben sich jedoch ernsthafte Probleme in der Schule. Denn in der Schule ist es von Bedeutung, dass Sprache nicht nur im Handlungszusammenhang, sondern vor allem von der Struktur her verstanden und angewandt wird. Spätestens mit dem Deutsch als Zweitsprache erreicht die Sprachkompetenz eine abstrakte Ebene, die sich nicht mehr alternativ anhand von Handlungen, Mimik und Gestik erklären lässt.
Hat ein "DaZ- Kind" (Deutsch als Zweitsprache) es bis dahin nicht geschafft, diese so genannte kognitive akademische Sprachkompetenz zu erwerben, dann wird es spätestens bei den Mathetextaufgaben im dritten oder vierten Schuljahr versagen, weil es diese von der Sprachstruktur her nicht mehr verstehen kann.

Fazit:

Von der Sache her spricht nichts gegen einen mehrsprachigen Kindergartenalltag und viel dafür:

• Das Wiederfinden der Familiensprache in der Einrichtung erleichtert gerade neuen Kindern die Eingewöhnung und fördert ein Gefühl der emotionalen Zugehörigkeit.
Der Umgang mit den nichtdeutschen Familiensprachen zeigt weiter den Respekt und die Wertschätzung gegenüber der Familie und der kulturellen Herkunft des Kindes. Denn was erlebt ein Kind von drei oder vier Jahren, das bisher nur die nichtdeutsche Familiensprache gehört hat, wenn im Kindergarten ausschließlich Deutsch gesprochen wird? Alles, was es sagt, ist falsch.
Das Kind erlebt Sprachlosigkeit, Unverständnis, Zurückweisung; ein wichtiger Teil seines bisherigen Lebens wird bedeutungslos und ausgegrenzt.
Eine emotionale Situation, die wenig motiviert sich auf Neues einzulassen.
• Sprache ist darüber hinaus nicht nur ein Medium zur Verständigung; Sprache ist Kulturträger, öffnet Welten und Wissen.
Und ist dies nicht ebenso bereichernd, wenn es sich dabei nicht nur um deutsche Kultur und Sprache handelt - gerade auch vor dem Hintergrund der zunehmenden Globalisierung mit all ihren Risiken und Chancen? Mehrsprachigkeit steht daher für vielfache Ressourcen und ist kein Defizit!

Das Recht auf Muttersprache

Stellen wir uns hier Deutsche im Ausland vor, denen es sehr wichtig ist ihre Kinder auf deutsche Auslandsschulen oder internationale Schulen zu schicken, damit diese die deutsche Sprache und deutsches Kulturgut nicht verlieren.
Viele deutsche Auswanderer pflegen nach Generationen noch ihre sprachlichen und kulturellen Wurzeln, obwohl sie sich als integrierte Bürger des Landes verstehen, in das sie eingewandert sind. Gelten diese Voraussetzungen nicht auch im Umkehrschluss für Einwanderer nach Deutschland?
Der vielfach vertetene Standpunkt, wonach Deutsch als einzige Umgangssprache in Kindergärten den erfolgreichen Erwerb von Deutsch als Zweitsprache befördern soll, bleibt summa summarum weit hinter dem aktuellen Forschungstand zum Zweitspracherwerb zurück.
Nachzulesen ist dies auch im Detail in dem Gutachten der Bund-Länder- Kommission "Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund" aus der Reihe Materialien zur Bildungsplanung und zur Forschungsförderung, Heft 107", bereits im Jahr 2003 erschienen:
Hier wird für eine Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund empfohlen, die Forschung zu berücksichtigen, die sich mit dem Zusammenhang von schulischer Sprachförderung, Sprachentwicklung und Schulerfolg befasst.
Als wichtige Faktoren werden dabei der Einsatz zweitsprachenspezifischer Fördermaßnahmen und der Umgang mit der Erst- und Familiensprache genannt.
"Nach Analyse des Forschungsstands besteht ein straffer Zusammenhang zwischen dem Erwerb einer Zweitsprache und dem der jeweiligen Erstsprache. Hierzu liegt eine große Zahl von Studien vor, die von der frühen Kindheit bis zum Erwachsenenalter reichen"
(vgl. zsf. Baetens- Beardsmore 1986; Baker/ Prys-Jones/ Baker 2001; Romaine 1994)

Der aktuelle Forschungsstand...

wie auch einschlägige Praxiserfahrungen geben somit den Weg einer erfolgreichen Integration durch vorschulische und schulische Sprachförderung vor:
• Vermittlung von Wissen an Eltern, Erzieher und Lehrer darüber, wann welche Sprachen sich wie im Rahmen der Bildungslaufbahn auswirken.
• Motivierung von Kindern, Eltern und Erzieher/-innen zu sprechen - egal, in welchen Sprachen. Dabei ist auch auf fordernde und korrekte Sprachangebote zu achten. Die Grundregel lautet: Vorrang hat immer die Sprache, in der die Beteiligten auch die beste Sprachbeziehung zueinander aufbauen können.
• Qualifizierung der Erzieher/-innen im Umgang mit Mehrsprachigkeit und Qualifizierung als Sprachförderkräfte für Deutsch als Zweitsprache (entsprechende Programme werden zum Beispiel vom Goetheinstitut entwickelt).

© Cornelia Spohn/ Maria Ringler

Verband binationaler Familien und Partnerschaften
Bundesgeschäftsführer/ Bundesgeschäftsstelle, Referat Bildung

Deutsch als Fremdsprache

Praxisorientierte umfangreiche und kostenlose Unterrichtsmaterialien vom Schubert-Verlag online und als PDF-Arbeitsblätter: Grundstufe - Mittelstufe - Oberstufe