Grundschulpädagogik




Nach wie vor wird in der "traditionellen" Pädagogik darüber debattiert, ob Lese- und Schreibkenntnisse für ein Kind beim Schuleintritt vorteilhaft oder hinderlich sein könnten.
Althergebracht: das lesefähige Kind langweilt sich, stört gar den Unterricht, ist unterfordert und verliert das Interesse an der Schule. Unter heutigen Bedingungen nicht ganz falsch.
Die Anderen: Kinder soll man in ihrer Wissbegier und Neugierde nicht ausbremsen, wobei manche Eltern aber übereifrig zur Sache gehen und ihre Sprösslinge zu "Vorzeigeobjekten" am Rande der Genialität hochpeppeln wollen.
Das kann's erdenklicherweise auch nicht sein.

Nein, der Weg liegt nicht in der Mitte, sondern bei diesem Beispiel sowie in der gesamten pädagogischen Didaktik m.E. auf neuem Terrain.
 

Da Kinder in diesem Alter körperlich und geistig sehr unterschiedlich entwickelt sind (da hilft auch kein "Vermessen" vor der Einschulung), muß dieser Tatsache durch Umstrukturierung des Grundschulkonzepts in Richtung "weiches gruppendynamisches Coaching" Rechnung getragen werden. Was ich darunter verstehe, mag im Folgenden erläutert sein.

Die Grundlage dafür, nämlich das Klassenlehrerprinzip, besteht ja schon und wird von den Befürwortern damit verteidigt, dass es für Kinder im Grundschulalter wichtig ist, eine feste Bezugsperson zu haben. Ich würde in meiner Befürwortung sogar soweit gehen, dass der heute übliche zweijährige Wechsel in der Grundschulzeit ganz wegfallen sollte, um so ein coachinggemäßes Vertrauensverhältnis und gutes Kennen der jeweiligen Stärken und Schwächen zu ermöglichen. Zudem mag man bitte daran denken, dass für viele dieser Kinder nur die Schule der "schützende Freiraum" für die Entwicklung ihrer Begabungen, positiver Sozialkontakte, ergebnisorientierter Wissbegier und disziplinierter Gestaltungsmöglichkeiten ist. Leider ist der von Soziologen vorsichtig auf ein Viertel (der Bevölkerung) geschätzte Anteil an dysfunktionalen Familienstrukturen so hoch, dass sich eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung meiner Meinung nach hauptsächlich in einem integrativen Schulumfeld erbringen lässt.



"Das große Schulgeschichtenbuch"
von Daniela Kulot & Martina Patzer
Cbj-Verlag, 96 Seiten
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Kritik an dem Ein-Lehrer-Prinzip wird häufig von dem Argument angeführt, dass Grundschullehrer oftmals nur für zwei oder drei Unterrichtsfächer ausgebildet sind, wodurch ihnen in den übrigen Fächern Wissen wie auch fachdidaktische Kenntnisse fehlen würden.
Zudem gibt es (unbestritten) einen starken Zusammenhang zwischen den Unterrichtsmethoden des Lehrers und den Lernerfolgen der Schüler. Wenn während der ganzen Grundschulzeit überwiegend eine Lehrkraft unterrichtet, könnte deren Überforderung oder persönliche Animosität gegenüber einzelnen Schülern erhebliche negative Konsequenzen für die Betroffenen haben.
Das Fächerspektrum und die Nomenklatur in den jeweiligen Bundesländern ist differenziert. Mathematik, Deutsch und Sachunterricht zählen zu den Hauptfächern. Das gemeinsame Lernen von Kindern aller Leistungsstufen wird unterschiedlich beurteilt, insbesondere da begabteren Kindern häufig keine angemessene Förderung zuteil wird.


Einige sehen allerdings die Vorteile des gemeinsamen Lernens als durch Studien belegt an. Der PISA-Test kann so gedeutet werden, dass gemeinsames Lernen für die Sekundarstufe I Vorteile bringt; dadurch begann in Deutschland eine generelle Debatte zur Reform des deutschen Schulsystems. Dabei wurde unter anderem auch eine Ausweitung der Grundschule auf das sechste oder gar neunte/zehnte Schuljahr gefordert.
Neue Nahrung erhielt diese Forderung durch weitere Studien. So stellte die Internationale Grundschul-Leseuntersuchung IGLU-Studie fest, dass Grundschüler und Grundschülerinnen international sehr viel besser abschnitten als die 15jährigen. Nacheinander stellten die zweite IGLU-Studie, der Ländervergleich der zweiten PISA-Studie und die Langzeituntersuchung der AWO-Studie fest, dass regelmäßig Schüler und Schülerinnen mit nicht-akademischen oder finanziell schlechter gestellten Eltern trotz gleich guter Leistung eine niedrigere Schullaufbahnempfehlung durch die Lehrkräfte erhielten.
Die Kultusministerkonferenz sah daraufhin lediglich Handlungsbedarf in der Sensibilisierung der Lehrkräfte, nicht aber in einer Änderung der sehr frühen Selektion.

Meiner Meinung nach sollte man deshalb die folgenden Vorschläge nochmal genauer unter die Lupe nehmen:

• Ein "weicher" Übergang von Kindergarten zu Grundschule, indem der vertraute Kindergartenpädagoge in den ersten Schulmonaten weiterhin im Kontakt mit Schülern, Eltern und Lehrern steht, in die Schule "zu Besuch" kommt und bei Anlaufschwierigkeiten als Mediator auftreten kann.
• Abschaffung der Fächertrennung im klassischen Sinn zugunsten eines allgemeinbildenden Unterrichts mit Schwerpunkten, um so den Lerndenden den vernetzten Sinn der Lernelemente deutlich zu machen.
So kann z.B. eine Mathe-Textaufgabe gleichzeitig auch interessanten Stoff für Deutsch, Sozialkunde, Physik, Musik und alles Denkbare enthalten wie auch z.B. ein Deutschaufsatz Fragen der Geometrie, Geschichte o.A. thematisieren kann.
• Dazu gehören zum allgemeinbildenden Unterricht zusätzlich angebotene "peer-to-peer" - Seminare, um individuellen Interessen und höheren Kenntnissen einzelner Schüler unabhängig von der Jahrgangsstufe eine Entwicklungsplattform zu geben.
Damit könnte man auch verhindern, dass Hochbegabte durchs "Raster" fallen.
• Diese Vermittlung einer vertieften Allgemeinbildung setzt natürlich eine wesentlich bessere Ausbildung der Pädagogen voraus. Eine Gesellschaft, die sich das "leistet", wird auf Dauer ungeheuer von der Steigerung der allgemeinen Kenntnisse und Intelligenz profitieren.
• Kein Frontalunterricht, sondern wenn möglich Bildung von Arbeitsgruppen, in denen die Fortgeschritteneren lernen, durch Anleitungen für die Schwächeren soziale Verantwortung zu übernehmen.
• Um die sozialen Herkunftsunterschiede zu "entkrassen", sollten gemeinsame jahrgangsübergreifende Aktivitäten wie Theaterspielen, Sport, Kulturfahrten, Musik und auch Computerspiele !! (da gibts inzwischen 'ne Menge mit "pädagogisch wertvollen" Inhalten) eine stärkere Gewichtung erhalten.
• Welche besondere Bedeutung der Musikpädagogik dabei zukommt, lesen Sie bitte in dem entsprechenden Artikel von Professor Dr. Bastian!
• Weil Sie als Leser sich hier ja gerade im Fachbereich "Deutsch" befinden und dazu wohl ein paar Tipps erhoffen, sei auf die folgenden Links verwiesen und auf die didaktischen Mittel der Rubrik "Sprachsozialisation im Vorschulalter", weil Wortspiele, Theater etc. in jedem Alter Sinn & Spaß machen!

Werner Friebel

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